Die psychischen Nebenwirkungen der Pandemie – Erkenntnisse aus dem Beratungsumfeld des EAP-Dienstleisters ICAS
Die psychischen Nebenwirkungen der Pandemie und der negative Einfluss auf die psychische Gesundheit sind durch diverse Studien und Fachartikel mittlerweile hinlänglich bekannt. Auch aus dem Beratungsalltag von ICAS ist dieser Trend klar ersichtlich. Als EAP-Dienstleister bietet ICAS Mitarbeitenden rund um die Uhr psychologische und emotionale Unterstützung sowie rechtliche Beratung an. Besonders die Anzahl schwerwiegender Fälle, bei denen persönliche Beratungssitzungen bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten nötig waren, ist im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 60% gestiegen.
Starker Anstieg der arbeitsbedingten Belastungen
Große Veränderungen betrafen insbesondere die Arbeitsbelastung. Diese Fälle haben verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um eindrückliche 105% zugenommen.
Die Fälle, bei denen Mitarbeitende über arbeitsbedingten Stress klagten, sind um 32% gestiegen und auch Fälle von Burnout haben um 63% zugenommen. Einzig die Konflikte am Arbeitsplatz – über viele Jahre hinweg das am häufigsten genannte arbeitsbezogene Thema – waren rückläufig. Die Pandemie, resp. deren Auswirkungen auf das Berufsleben, insbesondere das Home-Office, scheinen das Empfinden und den Umgang von und mit Belastungen deutlich verändert zu haben.
Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Die Arbeitszeiten haben sich, oft unbewusst, verlängert, weil die Abkoppelung von der Arbeit im Home-Office schwieriger ist.
- Mitarbeitende sind nun für die gesamte Tagesstruktur verantwortlich, die zuvor viel stärker von Kollegen und Prozessen bestimmt wurde.
- Gemäß einer kürzlich durchgeführten Studie von LinkedIn fühlen sich 20% der Befragten unter Druck gesetzt, E-Mails schneller zu beantworten als früher.
- Fehlende oder zu wenige Pausen: Auch wenn es nicht logisch erscheint, langsamer zu werden, um schneller zu sein – das regelmäßige Einlegen von Pausen kann das geistige Wohlbefinden erheblich steigern, die Gefahr eines Burnouts verringern und die Produktivität erhöhen.
- Wenn man die Arbeitskolleginnen und -kollegen nicht mehr sieht, verringern sich zwar die Konflikte, wie die Auswertung von ICAS zeigt, aber die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz sind ein wichtiger Faktor, mit Belastungen besser umgehen zu können.
Ist die neue Arbeitswelt also schlecht für uns?
Es kommt darauf an, was man daraus macht. Einerseits kann das Home-Office den Druck verstärken, ständig erreichbar sein zu müssen und zu beweisen, dass man tatsächlich arbeitet. Das erhöht den Stresslevel und ist Gift für die Psychohygiene, was im Endeffekt die Arbeitsleistung stark beeinträchtigen kann.
Andererseits sagen viele Mitarbeitende, dass sie im Home-Office konzentrierter arbeiten, produktiver sind und eine bessere Work-Life Balance haben. Diese Mitarbeitenden haben oft gemeinsam, dass ihr Management die Gesundheit der Beschäftigten als wichtigen Bestandteil der erfolgreichen Arbeit erkennen. Die Führungskräfte tragen nämlich maßgeblich dazu bei, der Stressdynamik entgegenzuwirken und die Leistungen der Mitarbeitenden längerfristig aufrechtzuerhalten. Beim Thema Home-Office z. B. hilft eine klare Kommunikation der Erwartungen: Wird erwartet, dass man abends noch erreichbar ist und auf E-Mails antwortet oder darf man «abschalten»?
Die Aufgaben der Führungskräfte sind komplexer geworden
Die Aufgaben der Führungskräfte haben an Komplexität und Wichtigkeit dazugewonnen. Umso erstaunlicher ist eine weitere Beobachtung: Der Anteil an Managementberatungen im beobachteten Zeitraum zwischen 2020 und 2021 hat sich halbiert. Diese Entwicklung legt nahe, dass die Führungskräfte durch die Distanz im Home-Office die Mitarbeitenden weniger «spüren» konnten und deshalb die erhöhten Belastungen übersehen haben. Möglich ist auch, dass die Führungskräfte selbst überlastet sind und weniger Zeit und Energie für ihre Mitarbeitenden aufbringen können.
In jedem Fall ist gerade zur jetzigen Zeit der Blick von außen extrem wichtig. Der Austausch mit Kollegen oder einem Coach hilft schwierige Führungssituationen zu meistern – z. B. beim Umgang mit belasteten Mitarbeitenden.
Pandemiebedingte Zunahme auch bei den privaten Problemen
Doch nicht nur das Arbeitsleben hat sich durch die Pandemie verändert, auch das Privatleben wurde in vielen Bereichen beeinflusst.
Fälle aufgrund von Beziehungsproblemen haben gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22% zugenommen. Auch bei Sucht-Themen wie Alkohol, Drogen oder Spielsucht wurde eine Zunahme von 18% verzeichnet.
Einen besonders starken Anstieg betraf die Fälle zu Depressionen und Ängsten, die im ersten Halbjahr 2021 um 41% höher waren als noch in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020. Je länger die Pandemie dauert, desto mehr nehmen diese Fälle sowohl in der Häufigkeit, als auch in ihrer Schwere zu.
Zwar waren zu Beginn der Pandemie Familien mit schulpflichtigen Kindern durch das Home-Schooling besonders stark belastet, jedoch hat sich das Bild jetzt geändert. Auffallend ist, dass zurzeit vor allem alleinlebende Personen, meist bedingt durch Isolation und Einsamkeit, mehr Mühe bekunden mit den Auswirkungen der Pandemie als Menschen, die ihren Haushalt mit anderen Personen teilen.
Einfluss der Führungskraft bei privaten Problemen
Bei solchen privaten Problemen stoßen die meisten Führungskräfte an ihre Grenzen. Die Führungskraft kann natürlich nicht die privaten Probleme der Mitarbeitenden lösen. Trotzdem machen sich die privaten Probleme auch im Arbeitsalltag durch Leistungseinbußen bemerkbar und werden dadurch auch zum Thema für die Führungskraft. Diese sollte zwar ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen und das Gespräch mit betroffenen Mitarbeitenden suchen, aber gleichzeitig nicht die berufliche und persönliche Ebene vermischen. Diesen Drahtseilakt zu meistern muss gelernt sein und erfordert eine sichere Gesprächsführung, einen klaren Plan und eine gute Vorbereitung.
In solchen Fällen kann die externe Mitarbeiterberatung EAP ein geeignetes Werkzeug sein, um «privat verursachte» berufliche Schwierigkeiten von Mitarbeitenden anzugehen. Die Betroffenen erhalten rund um die Uhr professionelle, psychologische Unterstützung und die Führungskraft nimmt gleichzeitig ihre Fürsorgepflicht wahr.
ICAS bietet außerdem verschiedene Führungstrainings an, die Managerinnen und Manager dabei unterstützen, die neu gefragten Skills zu fördern und entwickeln.
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